Lügen: Das Schmiermittel unserer Gesellschaft Teil III

Lügen: Das Schmiermittel unserer Gesellschaft Teil III

Hat das Internet uns zu einer Pinocchio Gesellschaft verkommen lassen?

Jetzt mal Hand aufs Herz: Wir alle lügen. Sei es bei einer beiläufigen Äußerung, um einer Situation aus dem Weg zu gehen oder um negative Auswirkungen zu vermeiden. Mag man einigen Meinungen von Kommunikationsforschern und Wissenschaftlern trauen, lügen wir im Durchschnitt sogar 200x pro Tag. Es liegt nah anzunehmen, dass   diese Behauptung an sich sogar schon eine Lüge ist.

Tun wir dem Begriff Lüge eventuell auch nur Unrecht und schieben ihm grundlos den schwarzen Peter zu? Lügen ist nicht so schlimm, wie wir annehmen und kann sogar in der Rhetorik oft als nützliches Hilfsmittel eingesetzt werden.

Wir haben bereits Teil I und Teil II zu diesem Thema veröffentlicht. 

Lesen Sie hier nun den dritten Teil unseres Artikels:

Das Paradoxon der Onlinekommunikationslügen:

Hat das Internet uns zu einer Pinocchio Gesellschaft verkommen lassen?

Wie verhält es sich nun mit Lügen über elektronische Kommunikationsmittel? Hat das Netz und die Möglichkeit zu kommunizieren ohne eine direkte Konfrontation mit der Reaktion unseres Gesprächspartners zu haben uns alle zu notorischen Lügnern gemacht? Lügen wir hier, dass sich die Balken biegen?
Nun könnten wir meinen, dass die räumliche Distanz und die Tatsache, dass wir unserem Gesprächspartner nicht direkt gegenüber stehen automatisch dazu führt, dass wir mit Lügen nur so um uns werfen würden. Doch das Gegenteil ist der Fall:
Tatsächlich haben Wissenschaftler in einer Studie herausgefunden, dass wir am wenigsten lügen, wenn wir per Email Kontakt mit einer anderen Person haben. Gefolgt von Instant Messaging wie Whatsapp. Am meisten lügen wir übrigens nicht bei einem direktem Gespräch, sondern übers Telefon. Per Telefon lügen wir sogar 2,5 mal häufiger als per Email.
Grund hierfür ist zum einen, dass es ein leichtes ist Emails per Copy & Past Prinzip zu kopieren, weiterzuleiten und zu speichern. Bei einem Telefonat sind unsere Worte allerdings flüchtig. Oft telefonieren wir und tun nebenbei andere Dinge und konzentrieren uns nicht unbedingt darauf, was wir sagen. Das führt dazu, das wir eher intuitiv antworten.In Emails haben wir Zeit, eine Antwort zu formulieren und diese so zu gestalten, dass sie der Wahrheit entspricht, aber nicht negativ oder gar provozierend auf den Adressaten wirkt. Dies ermöglicht eine zeitversetzte Kommunikation, wie sie z.B. bei einem Telefonat, direktem Gespräch oder auch beim Instant Messaging nicht der Fall ist. Aktion und Reaktion erfolgen dort nämlich gleichzeitig. Eine Antwort folgt direkt, und oft nur reflexartig ohne weiter darüber nachzudenken.
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Auch bei unseren LinkedIn Profilen sind wir im Gegensatz zu unseren Online Dating Profilen erstaunlich ehrlich. Hier sind wir sogar ehrlicher als bei unserem traditionellen Lebenslauf. Da unser Profil auf Seiten wie LinkedIn oder Xing online für jedermann leicht einsehbar ist, wollen wir hier natürlich bei der Wahrheit bleiben. Schließlich können ehemalige Kollegen, Arbeitgeber oder andere Bekannte unsere Profile ebenfalls einsehen und keiner steht gerne als Lügner da.
Welche Folgen solch eine Lüge im Lebenslauf allerdings haben kann, zeigt der jüngste Vorfall um die Essener SPD-Abgeordnete Petra Hinz. Diese hatte seit 2005 einen Sitz im Parlament inne und hat sowohl ihr Abitur, als auch ihr Jura Studium vorgetäuscht. Die Folgen sind bei dieser Art des Lügens natürlich schwerwiegend. Mal abgesehen davon, dass sie ihr Amt niederlegen musste. Auch gesellschaftlich ist diese Art des Betrugs nur schwer zu akzeptieren.
Natürlich bietet das World Wide Web und diverse Apps noch weitaus mehr Optionen der elektronischen Kommunikation. Wie beispielsweise über soziale Netzwerke. Das Phänomen, das wir hier beobachten können ist, dass die von Nutzern dargestellte und die tatsächliche Realität doch manchmal sehr stark von einander abweichen.
Wir können selbst entscheiden, welche Inhalte wir hier preisgeben möchten und wie wir diese kommunizieren wollen. Es gibt also sehr viel Spielraum um unser Leben etwas “aufzuhübschen”. Wir haben die Möglichkeit uns unseren eigenen Social Media Charakter zu erschaffen.
Oft führt die (vermeintliche) Anonymität, die uns das Internet bietet aber auch dazu, dass wir uns weniger verletzlich fühlen und sagen, was wir wirklich denken. Und wir weniger Lügenmärchen erzählen (müssen).

Lügen: ein lukratives Geschäft!Unternehmen sind vom starkem Konkurrenzdruck selbstverständlich auch nicht verschont. Es ist klar, dass hier gerne auch geschummelt wird. Schließlich wollen Unternehmen Kunden dazu bewegen sich für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung zu entscheiden. So ist bei online Hotel-, oder Produktbewertungen darauf zu achten, dass es sich unter Umständen um eine von dem jeweiligen Unternehmen selbst initiierte Bewertung handeln kann.

Der Psychologe Jeff Hancock führte zu diesem Thema eine Testreihe mit Informatikern der Cornell-Universität durch. Sie ließen sich von sogenannten mechanical turks (Klickarbeitern, die gegen Bezahlung gute Bewertungen schreiben) 400 gefälschte Hotelbewertungen anfertigen.
Bei einem Vergleich zu realen Hotelbewertungen kamen interessante Ergebnisse ans Licht: Die Fälschungen enthielten viel häufiger das Wort “ich”. Die Fälscher redeten dauert über sich selbst. Noch auffallender war, dass die gefälschten Bewertungen wie fiktive Erzählungen formuliert waren.
Im Gegensatz dazu wiesen die realen Reviews eher die Form von Sachtexten auf. Sie waren weitaus detailreicher. Die echten Hotelgäste erzählten z.B. davon, wie die Hotelausstattung war. Wie die Räume aussahen, welche Größe sie hatten oder wo das Bett stand.
Die bezahlten Hotelbewertungen handelten dagegen davon, was die Klickarbeiter dort gemacht hatten und wer noch dabei war. Vor allem benutzten sie viele ausschmückende Adjektive wie:  “wundervoll”, “toll” oder ” großartig”.
Generell müssen wir (online) Bewertungen deshalb kritisch betrachten und nicht leichtgläubig als wahr hinnehmen.

Gute Lügner sind erfolgreicher

jon-applicationDer Psychologe Robert Feldmann sagt, dass gute Lügner erfolgreicher durchs Leben gehen. Grund dafür ist, dass Menschen, die sozial geschickt sind besser verstehen, welches Verhalten die soziale
Situation erfordert. Diese Menschen lügen häufiger und haben das Spiel mit den Lügen in ihr natürliches Repertoire aufgenommen. Daher ist ihnen oftmals gar nicht mehr bewusst, das sie lügen.
Sie wenden diese wirksame Technik unterbewusst an. Im Gegensatz dazu sind weniger beliebte Menschen nicht so sensibel dafür, was ihr Gesprächspartner hören will. Was dazu führt, dass sie eher verletzend sind. Das macht Personen, die gut lügen können, sympathischer.
Die Kunst des Lügens machen sich viele auch in Bewerbungsgesprächen zu Nutze. Hier variieren die Lügen, die erzählt werden. Sie reichen von kleinen Änderungen der früheren Aufgabenbereiche und Kenntnissen bis hin zum schwerem Betrug. Es werden  ein paar Qualifikationen dazu gedichtet und andere negative Dinge verschwinden schnell unter dem Tisch. Wir wollen uns letztendlich als perfekt geeignet und als den ultimativen Bewerben vorstellen. Es gibt schließlich keine zweite Chance für den ersten Eindruck! Was tun wir nicht alles, um an unseren Traumjob zu kommen.
Bei einer Studie der Robert Half Personalberatung, bei der ein Meinungsforschungsinstitut mit rund 1200 Personalmanagern befragt worden ist, kamen dazu einige interessante Ergebnisse zu Tage. Demnach logen:

  • 30 % bezüglich ihrer Verantwortung und früheren Aufgaben
  • 22 % übertrieben bei ihren Managementfähigkeiten
  • 16 % gaben bessere Sprachkenntnisse an als sie besaßen
  • 10 % schraubten ihr letztes Gehalt höher
  • 5 % schummelten bei ihren Softwarekenntnissen
  • 4 % machten bei ihrem Bildungsgrad falsche Angaben

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Gründe, warum bei Bewerbungen gelogen wird gibt es viele. Ein starker Faktor ist der, im ersten Teil unseres Artikels bereits erwähnte steigende Konkurrenzdruck. Wir wollen uns so positiv wie möglich darstellen, um unsere Chancen eingestellt zu werden zu erhöhen. Jedoch sollte bedacht werden, dass nicht vorhandene Kenntnisse spätestens beim Testen oder Überprüfen dieser auffliegen können. Wie wir am Beispiel der Abgeordneten Petra H. gesehen haben, sollten wir uns der Konsequenzen, die Lügen hier haben können bewusst sein.
Wir haben von kleinauf gelernt, dass Lügen uns weiter bringen. Das sie uns und anderen das Leben einfacher und besser machen können. Es ist verständlich, das wir ein Verhalten, von dem wir gelernt haben, dass es sich positiv auswirken kann nicht einfach ablegen wollen. Obwohl wir es theoretisch moralisch für nicht in Ordnung befinden. Wie es allerdings in der Praxis aussieht wissen wir jedoch alle.

Doch sind Lügen wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Wenn dem wirklich so ist, warum lügen wir dann überhaupt so viel?
Wir werden morgen im vierten und letzten Teil unseres Artikels die andere Seite des Lügens beleuchten. Und dem Nutzen von Lügen und ihrer Rolle in der Rhetorik noch weiter auf den Grund gehen.
Mehr zu dem Thema Lügen, welchen Nutzen sie haben und welche Rolle sie in der Rhetorik spielen können Sie morgen in unserem vierten Teil dieses Artikels lesen.
Mehr zum Thema Social Media Charakter können Sie auch in Michael Ehlers neuem Buch ,,Herzlich Willkommen im Datengefängnis” lesen.
Amazon: https://www.amazon.de/Herzlich-willkommen-Datengefängnis-zukünftig-einkaufen/dp/3864703557/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1474882364&sr=8-1&keywords=herzlich+willkommen+im+datengefängnis

Lesen Sie hier den ersten und zweiten Teil unseres Artikels.

Teil 1: https://www.der-rhetoriktrainer.de/luegen-das-schmiermittel-unserer-gesellschaft-teil-i/

Teil 2: https://www.der-rhetoriktrainer.de/luegen-das-schmiermittel-unserer-gesellschaft-teil-ii/

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